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Melliand Textilberichte 3/2023

Fachkräftemangel – der schmerzhafte Weg zu neuen Visionen

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Urs Konstantin Rouette (Source: Rouette Executive Search)
Urs Konstantin Rouette (Source: Rouette Executive Search)

Das Kapital eines Unternehmens ist nicht sein Produkt, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die es erschaffen. Bleiben Stellen zu häufig zu lange unbesetzt, gefährdet dies den Unternehmenserfolg. Die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt haben sich verschoben, diese schmerzhafte Tatsache muss den Weg für neue Visionen freiraumen.

Der Arbeitsmarkt verändert sich starker, als manch einem lieb ist
Bereits heute sind einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags zufolge mehr als die Hälfte aller Unternehmen von Personalengpassen betroffen.
Auf den ersten Blick scheint der Grund hierfür schnell ausgemacht: Die Generation der Baby-Boomer, geburtenstark und arbeitsam, beginnt, in den Ruhestand zu gehen. Die nachfolgenden geburtenschwachen Generationen, denen ihr Privatleben wichtiger ist als ihr Beruf, vermögen dies nicht auszugleichen. Schaut man jedoch etwas genauer hin, fallt auf: Die nachfolgenden Generationen sind gut ausgebildet, empfinden Beruf und Familie als gleichwertig und wollen etwas bewegen. Vermutlich das erste Mal in der Geschichte sind Arbeitskräfte in der Position, Forderungen stellen zu können, so unbequem und schmerzhaft diese Tatsache für Unternehmen sein mag. Nun ist Lamentieren bekanntlich kein Geschäftsmodell, vielmehr muss der Fokus auf die Verbesserung all jener innerbetrieblichen Strukturen gerichtet werden, die ein Unternehmen so attraktiv für Arbeitskräfte macht, dass es erfolgreich und zukunftsfähig bleibt.

Unternehmen als Bewerber
Unternehmen, die sich bis jetzt auf die Attraktivität ihrer Marken oder ihrer Innovationskraft verlassen haben, um Talente anzuziehen und zu halten, müssen diese Haltung zeitnah überdenken. Angestellte sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens und zugleich das flüchtigste. Bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Ebenen verschieben sich persönliche Prioritäten. Ihre Persönlichkeit, Kompetenz und Motivation sind der Motor für den Unternehmenserfolg, ihr Fortgang gefährdet ihn. Mittlerweile werben Unternehmen um Arbeitskräfte. Wie dies gelingt, soll nachfolgend skizziert werden.
Die Zusammensetzung der Belegschaft verändert sich
Menschen, die bisher kaum eine Chance auf eine Karriere hatten, müssen einbezogen werden, um den Fachkräftemangel abzuschwächen. Häufig bleiben diese Personen trotz guter Ausbildung hinter ihren Möglichkeiten zurück, weil sie aufgrund ihrer Lebensumstande auf flexible und auch digitale Arbeitsmöglichkeiten angewiesen sind. Die Chance, diesen Schatz zu heben, sollten sich Unternehmen nicht entgehen lassen.

Führung als Aufgabe statt als Selbstzweck
In diesem Kontext wird gute Führung immer wichtiger. Führungskräfte müssen fuhren. Diese Kernaufgabe personeller Führung wird häufig durch Unternehmensstrukturen konterkariert.
Manche Führungskräfte können nicht fuhren. Sie wurden zur Führungskraft, weil sie bisher die fachlichen Aufgaben inhaltlich am besten erfüllten oder es mal an der Zeit für eine Beförderung war, ohne dass sie von ihrer Persönlichkeit her dafür geeignet waren oder darauf vorbereitet wurden. Andere dürfen nicht fuhren, weil sie durch eine hohe Belastung mit fachlichen Alltagstätigkeiten davon abgehalten werden. Wieder andere verlieren sich im Mikromanagement ihres Teams, was nicht nur viel Zeit frisst, sondern fachlich hervorragende Teams demotiviert. Führungskräfte in stark hierarchisch aufgebauten Organisationen, in denen viel Wert auf Statussymbole gelegt wird, sind hierbei besonders gefährdet.

Anerkennung im fachlichen Wirken
Einem Teil der beschriebenen Defizite in der Führung kann vorgebeugt werden, indem fachliche Erfolge nicht nur durch hierarchische Beförderungen, sondern vor allem auch durch Wertschatzung honoriert werden. Dabei ist Wertschatzung keine leere Worthülse, wenn fachliche und disziplinarische Kompetenz dem Unternehmen in der Anerkennung und der Entlohnung gleich viel wert sind. Führungs- und Fachkräfte wirken dann in ihrem jeweiligen Fachgebiet mit voller Kraft, ungehindert, selbstverantwortlich und gerecht entlohnt. Übrigens liegt diese Idee der Selbstverantwortung und Gleichgestelltheit auch modernen, sehr erfolgreichen Projektmethoden zugrunde und fordert eine positive Fehlerkultur.

Und was heißt das nun im Alltag?
Unternehmen müssen sich und ihre Überzeugungen kritisch unter die Lupe nehmen. Finden wir Statussymbole, Hierarchien und Arbeiten in Präsenz wichtig oder können wir die Kosten für bisherige Strukturen und Statussymbole in unsere digitale Ausstattung stecken, sodass Ablaufe effizienter werden und Menschen gegebenenfalls ohne Umzug und lange Arbeitswege für uns arbeiten? Können wir mit flexiblen Arbeitszeit- und -Vertragsmodellen ähnlich denen von Freelancern so attraktiv werden, dass Spezialistinnen und Spezialisten von überall auf der Welt für uns arbeiten wollen? Vertrauen wir auf die Schaffenskraft, das Wissen und die Motivation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ebnen ihnen den Weg, dieses Potenzial für uns voll auszuschöpfen? Machen wir weiter wie bisher, ertragen den damit verbundenen Schmerz oder brechen wir mit Visionen die herkömmlichen Strukturen auf? Die Antwort ist einfach. Oder nicht?
Urs Konstantin Rouette
Rouette Executive Search
Rosenheim

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